Die Worte von Julian Brandt sind alarmierend. „Am Ende ist jeder selbst dafür verantwortlich, am Anfang der Saison sich dahin zu arbeiten, dass man auf seinem Peak ist - dass man in einer guten Verfassung ist, dass man das leistet, wozu man imstande ist. Da haben wir einfach momentan zu wenige von noch“, sagte der Nationalspieler von Borussia Dortmund nach dem enttäuschenden 1:1 beim VfL Bochum bei Sport1 und kritisierte einige seiner Mitspieler damit deutlich. Der BVB läuft seinen Ansprüchen direkt zu Beginn der Spielzeit hinterher. Von der Form eines ernsthaften Titelaspiranten ist Dortmund weit entfernt.
Obwohl sie darauf vorbereitet waren, kamen die BVB-Profis in Bochum mit der aggressiven Spielweise des Revier-Rivalen lange überhaupt nicht zurecht. Die Aussagen der Verantwortlichen in den Katakomben des Ruhrstadions erinnerten an längst überwunden geglaubte Zeiten von Mentalitätsdebatten und Diskussionen über die richtige Einstellung der Mannschaft.
„Uns hat komplett die Schärfe gefehlt - auch in den Zweikämpfen, in der Bereitschaft“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl mit Bezug zur ersten Hälfte, in der der VfL früh in Führung ging und dann überlegen war. Trainer Edin Terzic sah das ähnlich: „Wir wussten, es gibt viele Zweikämpfe. Wenn du dann nicht die Bereitschaft hast, alles in die diese 50:50 Zweikämpfe reinzuwerfen, um aus 50:50 60:40 zu machen oder 70:30, dann wird es offen bleiben.“ Mit dem Unentschieden nach dem Ausgleich von Donyell Malen war der BVB am Ende sogar noch gut bedient.
Neben den Schwächen in wichtigen direkten Duellen mangelte es den Dortmundern wie schon beim glücklichen 1:0 am ersten Spieltag gegen den 1. FC Köln an Kreativität sowie Tempo im Spiel nach vorn. Der BVB agierte oft zu umständlich und behäbig. Mittelstürmer Sébastien Haller war kaum ins Spiel eingebunden und strahlte keine Torgefahr aus. Das neu formierte Mittelfeld mit Kapitän Emre Can, Marcel Sabitzer und Felix Nmecha wirkt bis jetzt nicht eingespielt. Häufig klafften große Lücken im Zentrum.
„Wir haben noch viel Potenzial nach oben, was das Spielerische angeht“, sagte Torwart Gregor Kobel und forderte: „Wir haben jetzt noch ein paar normale Wochen, bevor die Champions League anfängt. Die müssen wir nutzen, damit wir uns top auf die nächsten Spiele vorbereiten.“
Im Heimspiel gegen Aufsteiger Heidenheim am kommenden Freitag steht der BVB nun bereits unter Druck. Gelingt vor der anschließenden Länderspielpause gegen den krassen Außenseiter kein überzeugender Sieg, dürfte es schon früh in der Saison richtig ungemütlich werden.
Bei allem Ärger über den Auftritt seiner Mannschaft versuchte Terzic, Zuversicht auszustrahlen. „Es wird sich alles noch einpendeln, es wird sich alles noch finden“, sagte er. „Aber, was mir extrem wichtig ist: Wir müssen uns das erarbeiten. Wir müssen uns das holen. Das wird uns keiner geben, das wird uns keiner schenken oder servieren. Sondern das müssen wir uns mit harter Arbeit, ganz viel Fleiß und ganz viel Selbstkritik selbst holen.“
Zumindest die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Leistung zeigte der BVB nach der Enttäuschung von Bochum. „Es gibt Themen, wo man ganz klar sieht, dass wir uns weiterentwickelt haben. Aber es geht um das Grundsätzliche einfach“, sagte Brandt, der selbst noch der agilste Dortmunder Offensivspieler war. „Wie bin ich im Spiel? Was mache ich, wenn ich den Ball bekomme? Solche Sachen. Da sind wir alle vor zwei, drei Monaten noch an einem anderen Punkt gewesen. Da gilt es schleunigst wieder hinzukommen.“